Niedrige Zinsen und mangelnde Anlagealternativen heizen den Wettbewerb um die besten Käufe am deutschen Immobilienmarkt immer stärker an. Leidtragende sind insbesondere hiesige Versicherer. Einige von ihnen würden gerne verstärkt in Immobilien investieren, doch vor allem Großanleger aus dem Ausland schnappen ihnen anvisierte Objekte immer häufiger vor der Nase weg. Das geht aus einer Branchenbefragung hervor, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY heute veröffentlicht hat.
Demnach würde sich die Immobilienquote der befragten Versicherer, der Anteil des Betongoldes an den gesamten Kapitalanlagen also - nach einem Anstieg in den vergangenen Jahren auch 2015 weiter erhöhen.
Der Grund des großen Interesses der Unternehmen an Immobilien liegt laut EY auf der Hand: Nicht zuletzt über den Garantiezins für Lebensversicherungen sind sie gezwungen, mit einem Großteil ihrer Investments eine bestimmte Mindestrendite zu erzielen. Ebenso sind Versicherer an möglichst großer Anlagesicherheit interessiert.
Investments, die diese Kriterien erfüllen, sind in der anhaltenden Niedrigzinsphase nur schwer zu finden - außer am Immobilienmarkt. Die Krux ist jedoch, dass sich auch andere institutionelle Investoren in ähnlicher Lage befinden: Geld für Investments ist vorhanden, aber die Anlagemöglichkeiten sind überschaubar.
So ergab die Umfrage von EY: Mehr als 90 Prozent der befragten Versicherungsunternehmen wollen Immobilien künftig noch stärker als bisher in den Fokus nehmen. Bei mehr als der Hälfte der Umfrageteilnehmer ist es sogar die Anlageklasse, die am stärksten ausgebaut wird.
Gleichzeitig gaben jedoch 100 Prozent der befragten Gesellschaften an, dass sie sich auf dem hiesigen Immobilienmarkt inzwischen in einem Verdrängungswettbewerb mit internationalen Investoren um Top-Immobilien sehen.
Tatsächlich befindet sich der deutsche Immobilienmarkt bereits seit geraumer Zeit im Fokus der Großanleger aus aller Welt. Aktuelle Zahlen des Immobilienberaters CBRE zeigen: Das Investmentvolumen in Europa lag im ersten Quartal bei knapp 55 Milliarden Euro und damit etwa 31 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Der größte Teil der Gelder floss mit 23,2 Milliarden Euro nach Großbritannien, gefolgt von Deutschland, das 9,6 Milliarden Euro anzog, so CBRE in einer Mitteilung von heute.
"Deutschland unterstreicht mit diesem hohen Transaktionsvolumen - dem zweitbesten Jahresauftakt seit 2008 - seine Rolle als einer der wichtigsten Anlagehäfen für Immobilieninvestoren weltweit", so Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland.
Für zahlreiche Versicherer sind das keine guten Nachrichten. Denn die Investoren aus aller Welt haben häufig niedrigere Renditeerwartungen als die Assekuranzunternehmen und können daher höhere Preise zahlen.
EY-Partner Dietmar Fischer kennt ein Beispiel, das die Situation anschaulich macht: "In einer großen Transaktion ging eine Versicherungsgesellschaft mit einem Erstgebot ins Rennen, das einem Kaufpreisfaktor von 12,5 entsprach", so Fischer zu manager-magazin.de. "Ein Mitbieter aus dem Ausland jedoch legte von Beginn einen Kaufpreisfaktor von 16 zugrunde."
Hintergrund: Der Kaufpreisfaktor wird benutzt, um Immobilienpreise oder -werte miteinander zu vergleichen. Berechnet wird er, indem der Preis durch die Jahresnettomiete geteilt wird. Das heißt: Je höher die auch als Vervielfältiger bezeichnete Kennzahl, desto höher auch der Preis - oder in diesem Fall das Gebot.
Ein Problem, das nicht alle Versicherer haben
Der Grund für die unterschiedlichen Preisvorstellungen liegt auf der Hand: Die Versicherer erwarten der EY-Umfrage zufolge nach wie vor vergleichsweise hohe Renditen von 4 bis 5 Prozent mit ihren Immobilieninvestments. Andere Institutionelle gehen dagegen bereits wesentlich bescheidener in den Markt, sagt EY-Manager Fischer. Weil sie ihre Liquidität alternativ mitunter zu Strafzinsen auf Konten parken müssen, begnügen sie sich demnach nicht selten mit Immobilienrenditen von 3 Prozent oder weniger. Deshalb seien diese Investoren in der Lage, im Bietergefecht deutlich weiter zu gehen.
Offen erscheint indes, inwieweit die Umfrageergebnisse von EY auf die gesamte Versicherungsbranche übertragbar sind. EY gibt zwar an, die befragten Unternehmen repräsentierten 80 Prozent des Immobilienvermögens der Versicherungsbranche. Die Umfrageergebnisse beruhen jedoch auf den Antworten von lediglich 30 Gesellschaften.
Zum Vergleich: In der Statistik des Versicherungsverbandes GDV, in der ebenfalls Angaben zur Immobilienquote enthalten sind, sind laut GDV allein rund 100 Lebensversicherungsgesellschaften berücksichtigt.
So sind vermutlich auch die Abweichungen in den konkreten Zahlen zu erklären: Laut EY-Umfrage ist die Immobilienquote der befragten Versicherer seit 2009 von 6 Prozent auf heute 7,6 Prozent gestiegen. Den Plänen zufolge würde sich der Wert im laufenden Jahr zudem weiter auf 8,2 Prozent erhöhen, wobei die Versicherer Einzelhandels- und Wohnimmobilien präferieren. Laut Statistik des GDV dagegen stieg die Immobilienquote der Versicherungsbranche lediglich von 3,1 Prozent im Jahr 2011 auf 3,3 Prozent im vergangenen Jahr.
Die Abweichung erklärt EY-Partner Fischer mit verschiedenen Berechnungsgrundlagen: Während in der EY-Befragung die Marktwerte der Immobilien zugrunde gelegt würden, zöge der GDV die Bilanzwerte heran, die sich aus den Anschaffungskosten abzüglich Abschreibungen ergäben. Diese Werte seien systembedingt niedriger, so Fischer.
Der GDV gibt allerdings eine andere Erklärung. Zwar bestehe tatsächlich der Unterschied zwischen Marktwerten und Buchwerten, so ein Sprecher zu manager-magazin.de. Dies könne aber eine Abweichung in dem Ausmaß kaum begründen.
Vielmehr gebe es innerhalb der Versicherungsbranche eine breite Spanne an unterschiedlichen Immobilienquoten einzelner Gesellschaften. Während ein Unternehmen beispielsweise 16 Prozent in Betongold stecke, spiele diese Assetklasse beim nächsten praktisch keine Rolle. Die GDV-Statistik berücksichtige diese Bandbreite, weil sämtliche Firmen erfasst würden, so der Verbandssprecher. Ob eine Umfrage unter 30 Gesellschaften dies ebenfalls tue, lässt er offen.
Sprich: Dass Versicherungsunternehmen aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs mit anderen Investoren Schwierigkeiten bekommen, am Immobilienmarkt in der gewünschten Weise zum Zuge zu kommen, ist offenbar ein Problem. Es beschränkt sich aber auf den Teil der Versicherungsbranche, der am Immobilienmarkt besonders aktiv ist - und der ist offensichtlich relativ überschaubar.