Es ist ein Problem, dass die Londoner Öffentlichkeit bereits seit geraumer Zeit beschäftigt: Der Immobilienmarkt der britischen Metropole ist nicht nur im Inland beliebt, sondern auch bei vermögenden Käufern aus aller Welt. Diese erwerben mit Vorliebe Luxusimmobilien an der Themse, teils, weil sie sie bei gelegentlichen Besuchen als Unterkunft nutzen wollen, teils aber auch als reine Geldanlage.
Die Folge ist in beiden Fällen beinahe die gleiche: Viele der luxuriösen Apartments in Londons Nobelstadtteilen wie Kensington oder Chelsea stehen mehr oder weniger dauerhaft leer. Mitunter, so berichten Medien, machen sich die Besitzer nicht einmal die Mühe, zur Schlüsselübergabe in die britische Hauptstadt zu reisen.
So ist es in zahlreichen Fällen selbst für Insider ein Problem, den Eigentümer einer Wohnung ausfindig zu machen. Denn weil die vielfach prominenten Käufer lieber anonym bleiben wollen, erwerben sie ihr Betongold häufig über Zwischenfirmen. Eine Rolle dürfte dabei auch spielen, dass augenscheinlich keineswegs alle Käufer auf dem Londoner Immobilienmarkt ihr Geld auf vollständig ehrliche Weise verdient haben.
Das Phänomen, das im örtlichen Jargon als "buy-to-leave" bezeichnet wird, hat nun auch den britischen Wahlkampf erreicht. Ohnehin stehen sich die politischen Lager auf der Insel vor den Unterhauswahlen am 7. Mai in lange nicht mehr gesehener Gegensätzlichkeit gegenüber: Hier die Konservativen um Premierminister David Cameron, die mit Abgabensenkungen punkten wollen und darüber hinaus mit einem möglichen EU-Austritt flirten. Dort die linke Labour-Partei, die sich unter anderem höhere Steuern für das Feindbild Nummer eins der Arbeiterklasse, die Reichen, auf die Fahnen geschrieben hat.
Da passt es gut ins Bild, dass ausgerechnet Tessa Jowell, eine ehemalige Labour-Abgeordnete und Anwärterin auf die Nachfolge von Londons Bürgermeister Boris Johnson, nun Strafabgaben für leere Wohnungen zum wichtigen Teil ihrer Kampagne macht.
460.000 leere Wohnungen in Großbritannien
Auf der einen Seite ließen die reichen Besitzer aus aller Welt ihre vier Wände leer stehen, so Jowell laut Nachrichtenagentur Bloomberg. Und auf der anderen schlügen sich tausende Londoner mit Übergangslösungen durch, weil sie keine dauerhafte Unterkunft finden könnten. "Wir brauchen dringend Möglichkeiten für die Behörden, jene, die ihre Wohnungen nicht nutzen, zu bestrafen."
Die Basis für den Vorstoß scheint gegeben: Dem Bloomberg-Bericht zufolge stehen derzeit in ganz Großbritannien mehr als 460.000 Wohnungen leer. Vor dem Hintergrund habe auch Bürgermeister Johnson selbst die Behörden bereits aufgefordert, die unsichtbaren Eigentümer stärker zur Kasse zu bitten.
Dabei ist es keineswegs das erste Mal, dass die Luxuskäufer am Immobilienmarkt in Großbritannien in den politischen Fokus geraten. Erst im Dezember 2014 erhöhte Schatzkanzler George Osborne - wohl um der Opposition im beginnenden Wahlkampf zuvorzukommen - die sogenannte Stempelsteuer auf Immobilien mit einem Wert von knapp einer Million Pfund.
In der Folge beobachteten Makler wie das Londoner Unternehmen Knight Frank ein merkliches Nachlassen des Preisanstieg im Luxussegment. Das Preisplus, so Knight Frank, fiel im Dezember 2014 auf Jahressicht auf 5,1 Prozent und damit auf den niedrigsten Wachstumswert seit fünf Jahren.
Auch anderswo am Immobilienmarkt zeigt die zunehmend ablehnende Haltung seitens der Öffentlichkeit offenbar bereits Wirkung. Schon 2013 veranlasste der Druck einige Bauträger, ihre Objekte nicht mehr zuallererst ausländischen Käufern anzubieten, so Bloomberg. Einige Londoner Bezirke haben zudem inzwischen höhere Abgaben für Wohnimmobilien beschlossen, die über einen bestimmten Zeitraum ungenutzt bleiben.
Besonders weit geht offenbar der Stadtbezirk Islington, wo Eigentümer künftig möglicherweise gesetzlich verpflichtet werden, ihre Wohnungen auch zu nutzen. Die Diskussion in dem Stadtteil kam in Gang, nachdem aufgefallen war, dass beinahe die Hälfte der Wohnungen eines prominenten Wohnprojekts leer standen, berichtet Bloomberg. In einem Objekt einige hundert Meter weiter, so der Bericht, betrug der unnötige Leerstand immerhin 33 Prozent.